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Steuerhinterziehung: Voraussetzungen für Zinsen

Wann darf das Finanzamt Hinterziehungszinsen festsetzen? Der BFH hat entschieden, dass bei der Festsetzung von Zinsen eine vorsätzliche Steuerhinterziehung von den Finanzbehörden nachgewiesen werden muss - sie darf anders als im Besteuerungsverfahren in Zweifelsfällen nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen vermutet werden. Die objektive Beweis- bzw. Feststellungslast trägt insoweit das Finanzamt.

Grundsätzlich sind hinterzogene Steuern gem. § 235 AO zu verzinsen. Ein Zinsanspruch entsteht jedoch nur dann, wenn eine vollendete Steuerhinterziehung vorliegt. Dies wiederum ist der Fall, wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand nach § 370 AO erfüllt ist: Der Steuerpflichtige hat mit Vorsatz Steuern verkürzt. Wenn Finanzbehörden und -gerichte darüber entscheiden, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt, so sind dabei verfahrensrechtlich die Vorschriften der AO und der FGO maßgebend, nicht jedoch die der Strafprozessordnung. Da die Finanzbehörde die objektive Beweislast bzw. Feststellungslast für steuerbegründende Tatsachen trägt, gilt auch hierbei der strafverfahrensrechtliche Grundsatz in dubio pro reo.

Liegt tatsächlich eine Schenkung vor?

In einem kürzlich vom BFH entschiedenen Fall übertrug die Klägerin Ende der 1990er Jahre ein in der Schweiz befindliches Vermögen auf ein Konto bei einer Schweizer Bank, das auf den Namen ihrer Stieftochter lautete. Das Konto wurde im Jahr 2001 wieder geschlossen und der Gegenwert auf ein Schweizer Konto der Klägerin zurückübertragen. Nach Mitteilung dieses Sachverhalts im Jahr 2010 setzte das Finanzamt gegenüber der Klägerin Schenkungsteuer fest, und zwar sowohl für die Vermögensübertragung an die Stieftochter als auch für die Rückübertragung des Vermögens an die Klägerin.

Nach Bestandskraft setzte das Finanzamt zudem Hinterziehungszinsen wegen Hinterziehung der Schenkungsteuer aus der freigebigen Zuwendung von der Stieftochter im Jahr 2001 fest. Bei der auf den erfolglosen Einspruch der Klägerin folgenden Klage schloss sich das vorinstanzliche Finanzgericht Nürnberg der Ansicht des Finanzamts an. Im darauffolgenden Revisionsverfahren gab der BFH der Klägerin Recht und verwies den Fall zurück an die Vorinstanz, um den Sachverhalt weiter zu ermitteln.

Feststellungslast bei der Steuerhinterziehung

Nach Ansicht des BFH muss das Finanzamt die Tatsachen feststellen, die zur Annahme einer freigebigen Zuwendung führen. Das Finanzamt muss also insbesondere darlegen, dass eine i.S.d. ErbStG freigebige Zuwendung unter Lebenden stattgefunden hat und es zu einer Vermögensverschiebung gekommen ist, die auch so gewollt war. Ob ein Treuhandverhältnis vorliegt oder nicht, obliegt der Feststellung des Finanzamts.

In dem Fall, dass nicht offenkundig ein Treuhandverhältnis vorliegt, muss das Finanzamt weitergehend ermitteln und auch die Einwendungen des Steuerpflichtigen berücksichtigen. Gleichermaßen muss auch das Finanzgericht zur Feststellung einer Steuerhinterziehung davon überzeugt sein, dass kein Treuhandverhältnis vorgelegen hat. Es darf dabei weder zu einer eigenen Ermessensentscheidung gelangen noch die Beweislastregel nach § 159 AO anwenden. Diese sieht nämlich für das Besteuerungsverfahren, anders als im Fall der Steuerhinterziehung, die Beweislast für ein Treuhandverhältnis beim Steuerpflichtigen.

Das Finanzgericht muss nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung im Rahmen der Vorgaben der FGO entscheiden. Dabei sind zwar erhöhte Maßstäbe bei der Prüfung eines Treuhandverhältnisses anzusetzen, diese müssen jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können.

Praxishinweis

Der BFH stellt in diesem Urteil klar, dass strafrechtlich relevante Feststellungen, die zu einer Festsetzung von Hinterziehungszinsen führen können, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von den Finanzbehörden festzustellen sind. Eine vorsätzliche Steuerhinterziehung in Übertragungsfällen muss daher stets von den Finanzbehörden nachgewiesen werden und kann – im Gegensatz zum Besteuerungsverfahren – nicht nur vermutet werden. Steuerpflichtige, die einen Hinterziehungszinsbescheid erhalten, sollten daher überprüfen, inwieweit der Vorwurf einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung von den Behörden bewiesen wurde oder ob dieser Vorwurf ohne weitere Ermittlungen erhoben wurde. Sollten keine weiteren Nachweise seitens der Finanzbehörde erbracht worden sein, sollte Einspruch gegen den Hinterziehungszinsbescheid eingelegt werden.

BFH, Urt. v. 12.07.2016 - II R 42/14

Quelle: Dipl.-Volkswirt Volker Küpper