Wann sind Verluste aus der Übernahme einer Bürgschaft steuerlich zu berücksichtigen? Nach dem BFH wird die Einkünfteerzielungsabsicht für Verluste aus dem Ausfall der Regressforderung des Bürgen bei einer unentgeltlichen Bürgschaftsübernahme unter fremden Dritten widerlegbar vermutet. Die Vermutung ist grundsätzlich erst dann widerlegt, wenn ohne jeden wirtschaftlichen Hintergrund gebürgt wurde.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 01.07.2025 (VIII R 3/23) entschieden, dass die Einkünfteerzielungsabsicht für Verluste aus dem Ausfall einer Bürgschaft auch bei unentgeltlicher Bürgschaftsüberlassung zu unterstellen ist.
Erst wenn die Bürgschaft ohne jeglichen wirtschaftlichen Hintergrund überlassen wurde, ist eine Einkünfteerzielungsabsicht nicht mehr vorhanden.
Sachlage im Streitfall
Der Kläger K hatte gegenüber einer Bank B eine Bürgschaft i.H.v. 200.000 € übernommen. Diese Bürgschaft betraf ein Darlehen der B an eine GmbH, an der K selbst nicht beteiligt war.
Zusätzlich gewährte K der GmbH ein Darlehen gegen einen festen Zinssatz sowie eine Beteiligung an zukünftigen Gewinnen i.H.v. 10 %. K wurde von B für die Bürgschaft in Anspruch genommen.
K zahlte daraufhin einen von B vorab angekündigten Betrag i.H.v. 188.276,61 € und machte diesen zudem in seiner Einkommensteuererklärung als Verlust geltend.
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung des Verlusts auch nach der Durchführung einer Außenprüfung ab.
Auch das Finanzgericht (FG) verwehrte den Verlustabzug, da es sich im Streitfall nicht um einen Verlust aus einem partiarischen Darlehen oder einer stillen Beteiligung handele.
Der BFH sah die Revision des K als begründet an und hob die Entscheidung des FG daher auf.
Einkünfteerzielungsabsicht bei Einkünften aus Kapitalvermögen
Das Erfordernis der Einkünfteerzielungsabsicht gilt grundsätzlich für alle Einkunftsarten, allerdings unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Besonderheiten hinsichtlich der Einkünfteermittlung.
Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BFH ist für die Einkünfte aus Kapitalvermögen, welche dem gesonderten Tarif gem. § 32d Abs. 1 EStG unterfallen, eine Einkünfteerzielungsabsicht widerlegbar zu unterstellen.
Im Fall von Bürgschaften ist das Bestehen der Einkünfteerzielungsabsicht für den Zeitpunkt der Hingabe der Bürgschaft zu prüfen.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Der BFH stellt klar, dass auch Bürgschaftsregressforderungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören und deren Ausfall gem. § 20 Abs. 2 und Abs. 4 EStG steuerlich als Verlust berücksichtigt werden kann.
Für Einkünfte aus Kapitalvermögen gilt nach ständiger Rechtsprechung eine tatsächliche, jedoch widerlegbare Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht, da die Einkünfteermittlung insoweit besonderen Regeln unterliegt.
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht ist nach Ansicht des BFH der Zeitpunkt der Hingabe der Bürgschaft. Die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht erfasst auch Fälle, in denen die Bürgschaft unentgeltlich übernommen wurde.
Sie entfällt lediglich dann, wenn die Bürgschaftsübernahme jeglichen wirtschaftlichen Hintergrunds entbehrt und damit keine objektiv nachvollziehbare Grundlage für eine spätere Einkünfteerzielung besteht.
Das FG hat nun die Einkünfteerzielungsabsicht im Zeitpunkt der Hingabe der Bürgschaft zu prüfen.
Praxishinweis
Die Frage der steuerlichen Berücksichtigung von Verlusten aus dem Ausfall von Bürgschaften war in den vergangenen Jahren Gegenstand mehrerer Entscheidungen des BFH. Mit dem hier besprochenen Urteil hatte der BFH nun zu entscheiden, inwiefern die Einkünfteerzielungsabsicht auch bei Nichtgesellschaftern zu unterstellen ist.
Danach besteht eine entsprechende Vermutung auch bei Bürgschaften von Nichtgesellschaftern. Stellt das FG im Streitfall eine Einkünfteerzielungsabsicht fest, so ist der Verlust nach § 20 Abs. 6 EStG nur mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechenbar.
BFH, Urt. v. 01.07.2025 - VIII R 3/23