Welche Folgen hat es, wenn Unternehmensanteile mit einem Nießbrauchsrecht übertragen werden? Der BFH hat entschieden, dass der Begünstigte bei einem Nießbrauch an einer Personengesellschaft nur dann Mitunternehmer nach § 15 EStG ist, wenn er die Initiative eines Mitunternehmers entfalten kann und dessen Risiko trägt. Ohne Beteiligung an stillen Reserven oder Verlusten ist davon nicht auszugehen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem Urteil vom 02.07.2025 (IV R 36/22) entschieden, dass der Nießbrauch am Kommanditanteil einer KG zu einer Mitunternehmerstellung führen kann, wenn der Nießbraucher ein Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfaltet.
Ist der Nießbrauchsberechtigte hingegen - nach dem gesetzlichen Leitbild - weder an den stillen Reserven im Gesellschaftsvermögen noch unmittelbar am Verlust der Gesellschaft beteiligt, so kann ein Mitunternehmerrisiko nicht angenommen werden.
Sachlage im Streitfall
Der Kläger war alleiniger Kommanditist an der V-KG. Im Jahr 2013 übertrug er im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen Kommanditanteil zu je einem Drittel auf seine drei Söhne.
Die Übertragung war mit zwei Auflagen verbunden: der Bestellung eines unentgeltlichen Ertragsnießbrauchs zugunsten der V-KG i.H.v. 70 % und der Einbringung der geschenkten Kommanditanteile in die neu gegründete F-KG, an welcher der Kläger und seine Söhne beteiligt waren. Die Nießbrauchbestellung sollte der Altersvorsorge des Klägers dienen.
Im Rahmen einer Außenprüfung qualifizierte das Finanzamt (FA) den Kläger weiterhin als verdeckten Mitunternehmer der V-KG.
Entsprechend erließ das FA einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid, in welchem dem Kläger ein Teil des Gewinns zugerechnet wurde. Insbesondere gegen die Einordnung als Mitunternehmer richteten sich Einspruch, Klage und Revision des Klägers.
Letztere sah der BFH als teilweise begründet an und hob die vorangegangene Entscheidung des Finanzgerichts (FG) auf.
Zur Qualifizierung als Mitunternehmer
Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist, wer als Gesellschafter einer Personengesellschaft oder in einer wirtschaftlich vergleichbaren Stellung an einem Unternehmen beteiligt ist.
Mitunternehmerrisiko trägt, wer Mitunternehmerinitiative entfaltet und die Absicht hat, Gewinn zu erzielen.
Mitunternehmerinitiative erfordert die Beteiligung an unternehmerischen Entscheidungen, etwa durch die Ausübung von Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten, wie sie einem Kommanditisten oder einem vergleichbar berechtigten Gesellschafter zustehen.
Mitunternehmerrisiko liegt vor, wenn der Beteiligte am wirtschaftlichen Erfolg und Misserfolg des Unternehmens teilnimmt. Dies ist regelmäßig gegeben, wenn der Mitunternehmer an Gewinn, Verlust und stillen Reserven beteiligt ist oder ein Haftungsrisiko trägt.
Ein bloßer Verzicht auf eine Gewinnbeteiligung begründet kein solches Risiko. Beide Merkmale - Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko - müssen kumulativ vorliegen, auch wenn sie unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Nach Ansicht des BFH kann auch ein Nießbraucher als Mitunternehmer anzusehen sein, wenn er Mitunternehmerinitiative entfaltet und Mitunternehmerrisiko trägt.
Ein Nießbrauchberechtigter kann danach auch Mitunternehmerrisiko tragen, sofern er ausnahmsweise unmittelbar am Verlust der Gesellschaft oder an den stillen Reserven im Gesellschaftsvermögen beteiligt ist oder sein eigenes Vermögen in anderer Weise zum Erreichen betrieblicher Ziele der Gesellschaft herangezogen wird.
Das FG war insoweit von abweichenden Grundsätzen ausgegangen, weshalb der BFH die Entscheidung aufhob. Im Streitfall war der Kläger letztlich nicht als Mitunternehmer anzusehen.
Demnach waren die Einkünfte den Söhnen des Klägers als Gesellschafter zuzurechnen und nicht dem Kläger als Nießbraucher. Dies gilt auch, obwohl die Gesellschafter dem Nießbraucher den entsprechenden Gewinn anteilig überlassen mussten.
Praxishinweis
Obwohl die Gesellschafter im Streitfall nicht oder nur anteilig von den Gewinnen der KG profitierten, waren ihnen die Gewinne der Gesellschaft steuerlich zu 100 % zuzurechnen.
In entsprechenden Verträgen ist es somit von maßgeblicher Bedeutung, dass eine Vereinbarung zur Übernahme der entsprechenden Steuerlast getroffen wird, um zu vermeiden, dass die Gesellschafter Steuern auf Gewinne zu zahlen haben, die ihnen zivilrechtlich gar nicht zustehen.
BFH, Urt. v. 02.07.2025 - IV R 36/22