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Einkommensteuer -

Kapitalerträge: Verlust bei Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen

Wann stellt der Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen einen Verlust bei den Kapitaleinkünften dar? Der BFH hat bestätigt, dass der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung nach Einführung der Abgeltungsteuer als Verlust berücksichtigt werden kann. Im Streitfall sah der BFH ein Altdarlehen aber nicht als „Finanzinnovation“ nach § 20 EStG a.F. an. Ein steuerlicher Verlust wurde nicht anerkannt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 14.01.2020 (IX R 9/18) seine Grundsätze zur Abzugsfähigkeit von Kapitalforderungen eines Gesellschafters weiter konkretisiert.

Sachverhalt im Besprechungsfall

A war am Stammkapital der C-GmbH zu 30 % beteiligt und zugleich einer von zwei alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern. Die C-GmbH schloss mit der B-Bank einen Darlehensvertrag.

Als Sicherheit dienten neben Bürgschaften zweier weiterer Gesellschafter der C-GmbH die Verpfändung eines Festgeldkontos des A sowie Grundschulden des A. Ferner stellte A der C-GmbH ein Darlehen zur Verfügung, welches der Ablösung des Darlehens mit der B-Bank diente.

In einer „Vereinbarung zum Gesellschafterdarlehen“ heißt es dazu:

„Der Darlehensgeber setzt den Gesellschafterbeschluss zur vereinbarten Gründungsfinanzierung der Firma um und schließt mit der C-GmbH als Darlehensnehmerin einen Darlehensvertrag gleichlautend wie mit den übrigen Gesellschaftern ab. Da die Darlehensnehmerin keinen Kredit von Nichtgesellschaftern zu marktüblichen Konditionen erhält, wird der Darlehensgeber sein Darlehen nicht abziehen, ein Kündigungsrecht besteht somit nicht. Er verzichtet auch auf sein außerordentliches Kündigungsrecht.“

Mit einer schriftlichen Erklärung trat A mit seinen Forderungen aus dem Gesellschafterdarlehen zur Vermeidung einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der C-GmbH im Rang hinter allen Ansprüchen aller anderen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger - außer anderen Rangrücktrittsgläubigern - zurück.

Die durch A sowie durch die weiteren Gesellschafter zur Verfügung gestellten Darlehensbeträge sind in der Buchführung der C-GmbH stets als sonstige Verbindlichkeiten behandelt worden. Mit dem Gesellschafterbeschluss verzichteten A sowie alle weiteren Gesellschafter auf die der C-GmbH ausgereichten Darlehen. Später veräußerte A seinen Gesellschaftsanteil.

In seiner Einkommensteuererklärung machte A einen Verlust aus der Veräußerung seiner Beteiligung an der C-GmbH in Höhe der Summe aus dem anteiligen, zu 60 % berücksichtigten Verlust des Stammkapitals zzgl. des anteiligen, zu 60 % berücksichtigten Verlusts des Gesellschafterdarlehens geltend.

Das Finanzamt berücksichtigte abweichend hiervon 60 % des Verlusts aus der Veräußerung des Stammkapitals des A als Veräußerungsverlust im Rahmen des § 17 EStG. Das Finanzgericht gab der Klage im Ergebnis statt. Der BFH folgte dem nicht.

Verlust der Darlehen als Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG n.F.

Aufgrund der ab 2009 neu eingeführten Regelung gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, welcher bestimmt, dass zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art gehören, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt – und zwar ohne Rücksicht auf die Bezeichnung und die zivilrechtliche Ausgestaltung der Kapitalanlage.

Für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 01.01.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F., aber nicht Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. nicht anzuwenden.

Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist nur auf Sachverhalte anwendbar, für die der Anwendungsbereich der durch das UntStRefG 2008 neu eingeführten Veräußerungstatbestände in § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG eröffnet ist.

Ferner führt ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster, unbedingter Verzicht eines Gesellschafters auf eine ihm gegen eine Kapitalgesellschaft zustehende Darlehensforderung dem Grunde nach zu einer Einlage i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG.

Darüber hinaus stellt der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre nach Einführung der Abgeltungsteuer einen steuerlich anzuerkennenden Verlust gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG dar. Weil das Darlehen des A keine Finanzinnovation i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. ist, kommen diese Grundsätze jedoch für die Altdarlehen nicht zur Anwendung.

Der Umstand, dass das Darlehen vom A über den 01.01.2009 hinaus gewährt und mithin in einem weiter verstandenen Sinne „stehengelassen“ wurde, bewirkt nach Ansicht des BFH bereits begrifflich keinen Erwerb der Darlehensforderung nach dem 31.12.2008.

Verlust i.S.d. § 17 EStG

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn (oder Verlust) aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Für die Berücksichtigung (nachträglicher) Anschaffungskosten kommt es auf den unter Geltung des Eigenkapitalersatzrechts zu § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG entwickelten normspezifischen Anschaffungskostenbegriff an, weil das von A gewährte Gesellschafterdarlehen vor dem 27.09.2017 geleistet worden ist.

Nach den unter Geltung des Eigenkapitalersatzrechts entwickelten Grundsätzen gehören zu den nachträglichen Anschaffungskosten u.a. auch Aufwendungen des Gesellschafters, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind.

Zu in diesem Sinne funktionellem Eigenkapital werden Finanzierungshilfen oder Finanzierungsmaßnahmen, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise der Gesellschaft ein Darlehen gewährt und dieses einen eigenkapitalersetzenden Charakter hat.

Davon ist auszugehen, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens entweder insolvenzreif ist oder wenn die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in einem Maße gefährdet erscheint.

Fällt der Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft mit einem in der Krise gewährten Darlehen aus, führt das zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung in Höhe des Nennwerts des Darlehens. Diese Grundsätze gelten für jede GmbH und unabhängig davon, ob die kapitalersetzende Finanzierung im Gesellschaftsvertrag niedergelegt ist.

Vielmehr ist entscheidend, ob sich die planmäßige Gesellschafterfinanzierung aus einer Gesamtwürdigung des Gesellschaftsvertrags und/oder des Darlehensvertrags und der im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Verträge vorliegenden Umstände ergibt.

Liegt ein in diesem Sinne krisenunabhängiges Finanzplandarlehen vor, ist es nicht nur von vornherein – also mit seiner Hingabe – gesellschaftsrechtlich als Haftkapital gebunden; es ist auch für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung davon auszugehen, dass es mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt wurde.

Dementsprechend erhöhen sich im Fall seines Verlusts die Anschaffungskosten der Beteiligung nicht nur in Höhe seines Werts im Zeitpunkt der Krise, sondern in Höhe seines Werts im Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft, also seines Nennwerts.

Ob und in welchem Zeitpunkt die Krise eingetreten ist, und ob eine als Darlehen bezeichnete Zahlung an die Gesellschaft in Wahrheit als gesplittete Einlage zu behandeln ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Anwendung im Besprechungsfall

Da mit dem Darlehen des A ein von der C-GmbH aufgenommenes Bankdarlehen, für welches A Sicherheiten gestellt hat, abgelöst worden ist, ist dieses Gesellschafterdarlehen als Fortführung des ursprünglichen Bankdarlehens einzustufen. Die C-GmbH hat sich bei Aufnahme des ursprünglichen Bankdarlehens noch nicht in der Krise befunden.

Denn das Bankdarlehen konnte unter fremdüblichen Bedingungen bei einer Geschäftsbank aufgenommen werden. Auch die bloße Gestellung von Sicherheiten durch A für das von der C-GmbH aufgenommene Bankdarlehen macht diese noch nicht zu krisenbestimmten Sicherheiten i.S.d. Eigenkapitalersatzrechts.

Schließlich ist auch das vom A gewährte Darlehen nicht als ein in der Krise stehengelassenes Darlehen anzusehen, denn das durch das Gesellschafterdarlehen abgelöste Bankdarlehen wurde von der C-GmbH bis zur Ablösung vertragsgemäß bedient, so dass eine Inanspruchnahme des A aus den hingegebenen Sicherheiten zu keinem Zeitpunkt drohte. Folglich lehnte der BFH die steuerliche Anerkennung des Verlusts als nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 17 EStG ab.

Praxishinweis

Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine bisherigen Grundsätze noch einmal bestätigt:

  • Auf Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 01.01.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F., aber nicht Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. nicht anzuwenden.
  • § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist nur auf Sachverhalte anwendbar, für die der Anwendungsbereich der durch das UntStRefG 2008 neu eingeführten Veräußerungstatbestände gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG eröffnet ist.
  • Die bis zum 27.09.2017 anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zu diesem Tag geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war und er keinen Antrag auf Anwendung der Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG n.F. gestellt hat.

Die Praxis wird sich an diesen Grundsätzen orientieren können und müssen.

BFH, Urt. v. 14.01.2020 - IX R 9/18

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht