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Einkommensteuer -

Kindergeld: Wann greift die Neuregelung für rückwirkende Auszahlungen?

Im Rahmen des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes (StUmgBG) wurde auch der rückwirkende Kindergeldbezug neu geregelt. Demnach wird Kindergeld nur noch rückwirkend für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats ausgezahlt, in welchem der Antrag eingegangen ist. Nach dem FG Münster ist diese verkürzte Nachzahlungsfrist aber erst auf Anträge anzuwenden, die nach dem 18.07.2019 eingehen.

Mit Urteil vom 26.09.2019 hat das Finanzgericht Münster (FG) entschieden, dass die neue Regelung, nach welcher das Kindergeld rückwirkend nur noch für sechs Monate gezahlt wird, erst für Anträge Anwendung findet, die nach dem 18.07.2019 eingehen. Für Anträge auf Kindergeld, die vor dem 18.07.2019 eingegangen sind, gilt die Beschränkung auf sechs Monate nicht.

Sachlage im Streitfall

Im aktuellen Fall beantragte eine zweifache Mutter für die in den Jahren 1995 und 1997 geborenen Kinder Kindergeld und legte für das erste Kind Studienbescheinigungen ab dem Wintersemester 2014 und für das zweite Kind ab dem Sommersemester 2017 vor.

Die Familienkasse setzte daraufhin Kindergeld für das erste Kind ab Oktober 2014 fest und erließ einen Bescheid unter Hinweis auf die geänderten Vorschriften, wonach nur eine Nachzahlung für die letzten sechs Monate vor Antragseingang möglich ist.

Demnach ist nur das ab Oktober 2017 festgesetzte Kindergeld auszuzahlen. Entsprechend wurde mit Bescheid vom selben Tag Kindergeld für das zweite Kind festgesetzt, die Auszahlung aber ebenfalls auf das Kindergeld für den Zeitraum ab Oktober 2017 begrenzt.

Der daraufhin eingelegte Einspruch wurde unter Verweis auf die geänderten Regelungen gem. § 66 Abs. 3 bzw. § 70 Abs. 1 EStG abgewiesen. Das angerufene FG gab der Klage der Steuerpflichtigen jedoch statt und ließ die Revision zum BFH zu.

Wer hat Anspruch auf Kindergeld?

Grundsätzlich wird Kindergeld für ein volljähriges Kind, welches noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird, gewährt. Ein Kind befindet sich so lange in der Berufsausbildung, wie es sein individuelles Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet.

Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind nur dann berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Dabei wirkt sich eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis nicht nachteilig auf eine Zahlung des Kindergeldes aus.

Neuregelung zum Kindergeld

Im Rahmen des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes (StUmgBG) wurden neben Änderungen von Anzeigepflichten bei Finanzgeschäften und mehr Transparenz von Bankkonten im Zusammenhang mit Briefkastenfirmen auch Neuerungen für den rückwirkenden Kindergeldbezug zum 01.01.2018 geregelt.

Dabei wurde durch den Wegfall des § 66 Abs. 3 und § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG geregelt, dass das Kindergeld nur noch rückwirkend für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in welchem der Antrag eingegangen ist, gezahlt wird. Zuvor galt die Verjährungsfrist gem. § 45 Abs. 1 SGB I, wonach Kindergeld bis zu vier Jahre rückwirkend beantragt werden konnte.

Bislang wurde häufig davon ausgegangen, dass die Regelung für alle Anträge gilt, welche nach dem 31.12.2017 eingehen. Das FG hat jedoch klargestellt, dass die Vorschrift des § 66 Abs. 3 EStG durch das StUmgBG aufgehoben wurde und durch Satz 2 und 3 zu § 70 Abs. 1 EStG ersetzt wurde.

Allerdings führt das FG auch aus, dass der Wille des Gesetzgebers beim Erlass der streitgegenständlichen Regelungen nicht eindeutig ist, und ließ daher die Revision zum BFH explizit zu.

Praxishinweis

Das FG Münster hat über einen für die Praxis sehr relevanten Fall der rückwirkenden Auszahlung von Kindergeld entschieden. Dabei wurde die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, da bislang in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten wurden, inwiefern über die Auszahlungsbeschränkung durch Abrechnungsbescheid entschieden werden muss bzw. inwieweit in der mit dem Festsetzungsbescheid verbundenen Nachzahlungsverfügung ein Abrechnungsbescheid gesehen werden kann.

Aus diesen Gründen wurde die Revision zum BFH zugelassen. Betroffene Steuerpflichtige sollten in jedem Fall das weitere Verfahren beobachten und unter Hinweis auf das Urteil vom FG Münster, respektive bei Anhängigkeit eines Verfahrens beim BFH unter dem jeweiligen Aktenzeichen, Ruhen des Verfahrens gem. § 363 Abs. 2 AO beantragen. Die Argumentation des FG scheint überzeugend.

FG Münster, Urt. v. 26.09.2019 - 8 K 2081/18 Kg

Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper