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Einkommensteuer -

Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten

Der BFH hat geklärt, wann eine steuerliche Entstrickung nach § 4 EStG vorliegt. Demnach greift die Entnahmefiktion, wenn ein Wirtschaftsgut aus einer inländischen in eine ausländische Betriebsstätte überführt wird. In der Rückwirkung des mit dem Jahressteuergesetz 2010 eingeführten § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG für vor dem 01.01.2006 endende Wirtschaftsjahre sieht der BFH keinen Verfassungsverstoß.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 26.03.2025 (I R 5/24 (I R 99/15)) entschieden, dass die Fiktion einer Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG durch die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte zu Recht angenommen wird. 

Auch die retrospektive Wirkung der Vorschrift, welche erst im Jahr 2010 ins Gesetz aufgenommen wurde, jedoch auch für vor dem 01.01.2006 endende Wirtschaftsjahre anzuwenden war, beanstandet der BFH nicht.

Sachlage im Streitfall

Zwei niederländische Gesellschaften (jeweils zu 50 % Kommanditistinnen) waren an zwei in Deutschland ansässigen GmbH & Co. KGs beteiligt. Im Streitjahr überführten sie sämtliche Patent-, Marken- und Gebrauchsmusterrechte aus einer KG (C-KG) in eine in den Niederlanden ansässige KG (V-KG) gegen Teilzahlungen in bar. 

Nach einer Außenprüfung bewertete das Finanzamt die Übertragung der Rechte als Entnahme, wodurch stille Reserven bei der V-KG aufgedeckt wurden. 

Der festgestellte Wert dieser Reserven wurde gemäß den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen aus Billigkeitsgründen zunächst durch einen gleich hohen Merkposten neutralisiert, der jedoch über zehn Jahre in gleichen Raten gewinnerhöhend aufgelöst werden sollte.

Das Finanzgericht (FG) legte die Frage zur Europarechtskonformität der sogenannten „Entstrickungsklausel“ dem EuGH vor. Der EuGH bestätigte die Regelung, woraufhin das FG die Klage als unbegründet ablehnte. 

Der BFH sah die hiergegen gerichtete Revision des Klägers als begründet an und hob das Urteil des FG daher auf.

Entstrickung von Wirtschaftsgütern

Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gilt eine Entnahme für betriebsfremde Zwecke als gleichbedeutend mit dem Ausschluss oder der Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts in Bezug auf den Gewinn aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsguts. 

Die ergänzende Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG definiert einen solchen Ausschluss oder eine solche Einschränkung. Diese liegen hiernach insbesondere vor, wenn ein Wirtschaftsgut, das bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zugeordnet war, einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet wird.

Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall

Nach Auffassung des BFH löst die Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer inländischen in eine ausländische Betriebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung die Rechtsfolgen der Entnahmefiktion aus. 

Im vorliegenden Fall sei die Verlagerung der Schutzrechte in die niederländische Betriebsstätte daher als Entnahme zu behandeln. 

Die retrospektive Wirkung der Vorschrift - auch auf Übertragungen, die vor dem Jahr 2006 stattfanden - beanstandete der BFH dabei nicht. 

Diese Vorgehensweise sei zumindest dann zulässig, wenn die Einkünfte der ausländischen Betriebsstätte nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Besteuerung freigestellt sind.

Der BFH bestätigt zudem, dass die von der Finanzverwaltung praktizierte Entstrickungsbesteuerung (Aufdeckung der stillen Reserven mit gleichzeitiger Neutralisierung durch einen Merkposten, der über zehn Jahre gewinnerhöhend aufzulösen ist) unionsrechtskonform ist. 

Entsprechend der Auffassung des EuGH verstoße die Regelung nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit. Allerdings habe das FG fehlerhaft den Fremdvergleichswert für die überführten Wirtschaftsgüter angesetzt. Für das Streitjahr sei der Teilwert maßgeblich. Das FG hat daher in der Folge den Entnahmewert der überführten Wirtschaftsgüter erneut zu bestimmen.

Praxishinweis

Die Aufdeckung von stillen Reserven durch die Übertragung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten kann schnell durch eine Nutzungs- oder Funktionsänderung eines Wirtschaftsguts oder einer Betriebsstätte ausgelöst werden. Steuerpflichtige und Steuerberater sollten daher in grenzüberschreitenden Fällen erhöhte Vorsicht walten lassen, um eine Besteuerung nicht versehentlich auszulösen.

BFH, Urt. v. 26.03.2025 - I R 5/24 (I R 99/15)

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