Wann sind Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern zu aktivieren? Der BFH hat klargestellt, dass der Zeitpunkt hierfür von der jeweiligen Vertragsgestaltung im Einzelfall abhängt. Wenn ein Provisionsanspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei Auszahlungen lediglich um Provisionsvorschüsse, die als erhaltene Anzahlungen zu passivieren sind.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seiner Entscheidung vom 30.04.2025 (X R 12-13/22) die Grundsätze zur Besteuerung der Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
K ist als selbständiger Handelsvertreter i.S.d. HGB tätig und vermittelt Versicherungsverträge auf Provisionsbasis. Seinen Gewinn ermittelt er durch Betriebsvermögensvergleich.
Bei Stornohaftungszeiten ist vereinbart, dass der Provisionsanspruch erst nach Zahlung der Beiträge seitens des Kunden entsteht. Gleichwohl erhielt er auch vorab auf freiwilliger Basis Zahlungen, die bei Vertragsstornierung zurückzuzahlen waren. Zur Sicherung der vorfinanzierten Beträge wurde eine umsatzabhängige „Rückstellung“ einbehalten.
In den Jahresabrechnungen über diese Rückstellungen wurden diese unterschieden in „erforderliche Rückstellungen“ (oder „Soll-Rückstellungen“; einbehaltene Beträge, die sich rechnerisch nach Maßgabe der vorfinanzierten Provisionen und des vertraglichen Rückstellungsprozentsatzes ergeben) und „Ist-Rückstellungen“ (tatsächlicher Stand).
Mit dem Finanzamt entstand Streit darüber, ob die Soll-Rückstellungen steuerlich anzusetzen seien.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage des K ab, der BFH gab hingegen der Revision statt und verwies den Rechtstreit zurück an das FG.
Begründung im Besprechungsfall
Einleitend bestätigt der BFH seine bisherigen Grundsätze, dass sich der Provisionsanspruch eines Versicherungsvertreters nach § 92 Abs. 4 HGB bestimmt: Der Anspruch auf Provision entsteht, sobald der Versicherungsnehmer die provisionsrelevante Prämie oder Versicherungssumme gezahlt hat. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen.
Falls nach der maßgebenden Provisionsregelung noch kein Provisionsanspruch entstanden ist, stellen die Zahlungen lediglich Provisionsvorschüsse dar, die als erhaltene Anzahlungen gewinnneutral zu passivieren sind.
Die Aktivierung einer Forderung kommt in dieser Konstellation ebenso wenig in Betracht wie die Bildung einer Rückstellung für Stornorisiken. Auf den Zeitpunkt der Fälligkeit und der tatsächlichen Auszahlung der Provisionsforderung kommt es für die Gewinnrealisierung nicht an.
Daher ist ein Provisionsanspruch bereits dann zu aktivieren, wenn die maßgebende Vereinbarung vorsieht, dass der Provisionsanspruch schon mit Zahlung des ersten Monatsbeitrags durch den Versicherungsnehmer in vollem Umfang entsteht, selbst wenn die Fälligkeit in Anknüpfung an weitere Beitragszahlungen des Versicherungsnehmers hinausgeschoben wird.
Weil sich das FG weder mit diesen Grundsätzen befasst noch ausreichende tatsächliche Feststellungen getroffen hat, verwies der BFH den Rechtstreit wieder an das FG zurück.
Ergänzend weist der BFH darauf hin, dass - ohne Bindungswirkung - der Soll-Bestand der Rückstellung eine theoretische Rechengröße sein dürfte, die nicht die tatsächliche Höhe des Einbehalts abbildet. Dies müsste das FG nun klären.
Praxishinweis
Der BFH hat seine bisherigen Grundsätze bestätigt: Der Zeitpunkt, zu dem Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern zu aktivieren sind, bestimmt sich nach der Vertragsgestaltung im jeweiligen Einzelfall.
Wenn sich aus der maßgeblichen Provisionsregelung ergibt, dass ein Provisionsanspruch für ein vermitteltes Geschäft noch nicht entstanden ist, handelt es sich bei gleichwohl vorgenommenen Auszahlungen lediglich um Provisionsvorschüsse. Diese sind beim Versicherungsvertreter als erhaltene Anzahlungen zu passivieren und daher zunächst noch nicht gewinnrealisierend.
BFH, Urt. v. 30.04.2025 - X R 12-13/22