EuGH billigt Zuordnungsfristen bei der Umsatzsteuer

Der EuGH hat die Zuordnungsfristen zum umsatzsteuerlichen Unternehmensvermögen im Grundsatz bestätigt. Nach dem BFH gilt bislang, dass die Zuordnung zum Unternehmen der Finanzverwaltung bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Steuererklärung mitgeteilt werden muss. Der EuGH hat dies nun gebilligt, verlangt bei der Ausschlussfrist allerdings eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 14.10.2021 (C-45/20 und C-46/20) auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs (BFH) dazu Stellung genommen, bis wann die Zuordnungsentscheidung zum umsatzsteuerlichen Unternehmen erfolgen muss.

Sachverhalt im Besprechungsfall

In beiden Rechtssachen erwarb der Steuerpflichtige jeweils ein Wirtschaftsgut - ein Gebäude bzw. eine Photovoltaikanlage - und ordnete dieses dem Unternehmensvermögen zu.

Allerdings wurde dies dem zuständigen Finanzamt jeweils erst mit den Umsatzsteuer-Jahreserklärungen mitgeteilt, die nach Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist eingereicht wurden. Die Finanzämter lehnten jeweils in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH den Vorsteuerabzug ab. Einspruch und Klage blieben in beiden Fällen erfolglos.

Der angerufene BFH legte die Rechtssachen dem EuGH zur Vorabentscheidung vor, weil der BFH geklärt wissen wollte, ob seine Auslegung des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH bestätigte die Auffassung des BFH zum Teil.

Auslegung des EuGH

Auch wenn eine eindeutige und ausdrückliche Bekundung der Absicht, einen Gegenstand bei seinem Erwerb einer wirtschaftlichen Verwendung zuzuordnen, ausreichend sein kann, um den Schluss zu ziehen, dass der Gegenstand von dem als solchem handelnden Steuerpflichtigen erworben wurde, schließt das Fehlen einer solchen Erklärung nach Ansicht des EuGH nicht aus, dass diese Absicht implizit zum Ausdruck kommen kann.

Nach der Mehrwertsteuerrichtlinie setzt die Gewährung eines Rechts auf Vorsteuerabzug folglich nicht voraus, dass eine ausdrückliche Entscheidung über die Zuordnung getroffen und mitgeteilt wird.

Zu den Gesichtspunkten, aus denen diese Absicht implizit zum Ausdruck kommen kann, gehören u.a. die Art des betreffenden Gegenstands, die Eigenschaft der handelnden Person und der zwischen dem Erwerb des Gegenstands und seiner Verwendung für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen liegende Zeitraum.

Dagegen ist es für sich gesehen ohne Bedeutung, dass der betreffende Gegenstand nicht unmittelbar für besteuerte Umsätze verwendet worden ist, da die Verwendung des Gegenstands nur den Umfang des Vorsteuerabzugs oder der etwaigen späteren Berichtigung bestimmt, jedoch nicht die Entstehung des Abzugsanspruchs berührt.

Für den EuGH ist es im vorliegenden Fall Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob aus der Gesamtheit der Gegebenheiten des Ausgangsverfahrens geschlossen werden kann, dass die Kläger als Steuerpflichtige gehandelt haben, als sie die im Ausgangsverfahren fraglichen gemischt genutzten Gegenstände erworben haben und die Absicht bekundeten, sie ihrem jeweiligen Unternehmen zuzuordnen.

Insoweit kann etwa die Zuordnung eines Zimmers von angemessener Größe als Arbeitszimmer in den Bauplänen eines Einfamilienhauses ein Indiz für eine solche Absicht darstellen.

Ebenfalls kann die Tatsache, dass im Lauf des Jahres, in dem eine Photovoltaikanlage erworben und installiert wurde, ein Vertrag über den Weiterverkauf des von dieser Anlage erzeugten Stroms abgeschlossen wurde, ein Indiz dafür darstellen, dass diese einer wirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet ist, sofern die Bedingungen für diesen Weiterverkauf denen entsprechen, die Unternehmern und nicht Privatpersonen angeboten werden.

Ferner sind die von den Steuerpflichtigen in ihren Steuererklärungen vorgenommenen Vorsteuerabzüge geeignet, eine solche Zuordnungsentscheidung darzutun, wenn sie ihre Folge sind. Solche Abzüge sind auch ein Indiz dafür, dass ein Steuerpflichtiger beim Erwerb eines Gegenstands beabsichtigte, ihn seinem Unternehmen zuzuordnen.

Dagegen lässt das Fehlen von Abzügen in der Umsatzsteuervoranmeldung für den Zeitraum, in dem der Gegenstand erworben wurde, für sich genommen nicht den Schluss zu, dass sich der Steuerpflichtige dafür entschieden hat, den betreffenden Gegenstand nicht seinem Unternehmen zuzuordnen.

Neben dem Abzug der Vorsteuer im Zeitraum der Entstehung des Anspruchs kann einem Steuerpflichtigen der Abzug auch gestattet werden, wenn er nicht in dem Zeitraum, in dem das Abzugsrecht entstanden ist, vorgenommen wurde.

Zudem ist eine Ausschlussfrist, deren Ablauf den nicht hinreichend sorgfältig agierenden Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht hat, mit dem Verlust des Abzugsrechts bestraft, grundsätzlich zulässig, sofern diese Frist zum einen für die entsprechenden auf innerstaatlichem Recht beruhenden steuerlichen Rechte wie für die auf Unionsrecht beruhenden Rechte gleichermaßen gilt (Äquivalenzgrundsatz) und sie zum anderen die Ausübung des Abzugsrechts nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert (Effektivitätsgrundsatz).

Es ist daher nach Ansicht des EuGH für den vorlegenden BFH wichtig, zu prüfen, ob die fragliche Ausschlussfrist im Hinblick auf das Ziel der Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verhältnismäßig ist.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass zum einen die nationalen Behörden die Möglichkeit haben, gegen einen nachlässig handelnden Steuerpflichtigen Sanktionen zu verhängen, die den Neutralitätsgrundsatz weniger beeinträchtigen als die völlige Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug (wie z.B. verwaltungsrechtliche Geldstrafen) und dass zum anderen eine Frist, die nach dem 31.05. des Jahres abläuft, das auf das Jahr folgt, in dem die Zuordnungsentscheidung getroffen wurde, nicht zu beanstanden ist.

Praxishinweis: Der EuGH hat die Vorlagefragen des BFH dahin gehend beantwortet, dass es nicht zu beanstanden ist, die Zuordnungsentscheidung spätestens bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist für die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung der Finanzverwaltung mitzuteilen, es sei denn, dass dies nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

EuGH, Urt. v. 14.10.2021 - C-45/20
EuGH, Urt. v. 14.10.2021 - C-46/20

Quelle: Axel Scholz, RA und StB, FA für Steuerrecht

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