Bei Aufwendungen zur Altersvorsorge prüft das Finanzamt nach § 10a Abs. 2 EStG, ob ein Sonderausgabenabzug steuerlich günstiger als die Altersvorsorgezulage ist („Günstigerprüfung“). Der BFH hat die hierbei anzuwendende Berechnungsweise geklärt. Demnach ist die tarifliche Einkommensteuer zunächst um Steuerermäßigungen nach § 35a EStG zu mindern und erst danach der Zulageanspruch hinzuzurechnen.
Der BFH hat mit Urteil vom 09.04.2025 (X R 11/21) entschieden, dass bei der Günstigerprüfung nach § 10a Abs. 2 Satz 1 EStG die Differenz der tariflichen Einkommensteuer, die sich einerseits ohne und andererseits mit Abzug der Beiträge zur zusätzlichen Altersvorsorge als Sonderausgaben ergäbe, mit dem Zulagenanspruch zu vergleichen ist.
Bestehen neben der Hinzurechnung der Altersvorsorgezulage noch tarifermäßigende Aufwendungen nach § 35a EStG, die direkt von der Steuer abgezogen werden können, sind diese Aufwendungen zunächst anteilig von der Steuer abzuziehen, und anschließend ist die Hinzurechnung der Altersvorsorgezulage vorzunehmen.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin machte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2015 Altersvorsorgeaufwendungen i.H.v. 1.354 € und Steuerermäßigungen nach § 35a EStG i.H.v. 515 € geltend.
Das Finanzamt (FA) lehnte den Sonderausgabenabzug im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 10a Abs. 2 EStG ab, da die Altersvorsorgezulage i.H.v. 154 € günstiger sei als die zu erwartende Steuerminderung.
Es setzte daher die Steuer ohne Abzug der Altersvorsorgebeiträge auf 107 € fest. Bei Berücksichtigung der Beiträge wäre die festzusetzende Steuer aufgrund der Hinzurechnung der Zulage auf 154 € gestiegen.
Die Klägerin vertrat hingegen die Ansicht, dass die Günstigerprüfung gem. § 10a Abs. 2 EStG einen Vergleich zwischen der Steuerersparnis - also der Differenz zwischen der Einkommensteuer ohne und mit Berücksichtigung der Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben - und der ihr zustehenden Zulage erfordere. Die Steuerermäßigungen seien ihrer Meinung nach erst im Anschluss an diesen Vergleich zu berücksichtigen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage der Steuerpflichtigen statt und setzte die Steuer auf 0 € herab. Der BFH sah die Revision des FA als begründet an und hob die Entscheidung des FG auf.
Günstigerprüfung gem. § 10a Abs. 2 EStG
Nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG können Pflichtversicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung Altersvorsorgebeiträge samt Zulage bis zu 2.100 € jährlich als Sonderausgaben absetzen. Ob dieser Abzug oder die Zulage günstiger ist, wird vom FA automatisch geprüft (Günstigerprüfung).
Im Rahmen der Günstigerprüfung wird sodann von Amts wegen ermittelt, ob die steuerliche Förderung durch den Sonderausgabenabzug der Beiträge zur zusätzlichen Altersvorsorge den Zulagenanspruch übersteigt, die dem Steuerpflichtigen dann im übersteigenden Umfang zugutekommt.
Ist der Sonderausgabenabzug vorteilhafter, wird die Zulage der Einkommensteuer hinzugerechnet. Andernfalls entfällt der Abzug. § 10a Abs. 2 Satz 1 EStG verlangt dabei einen Vergleich zwischen dem Steuervorteil durch den Abzug und dem Zulagenanspruch.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Im Streitfall führen die geringen Einkünfte der Klägerin dazu, dass die Steuerermäßigung nach § 35a EStG nicht in voller Höhe berücksichtigt werden kann. Eine Minderung der tariflichen Einkommensteuer der Klägerin kann maximal bis auf 0 € erfolgen.
Ein Erstattungsanspruch entsteht durch die Tarifermäßigung für Handwerkerleistungen nicht. Wäre jedoch die festgesetzte Steuer zunächst um die Altersvorsorgezulage erhöht worden, hätte sich der Ermäßigungsanspruch fast vollständig ausgewirkt.
Der BFH folgte in seinem Urteil jedoch der ursprünglichen Berechnung des FA, da diese dem Gesetzeswortlaut entspricht.
Danach sind gem. § 2 Abs. 6 Satz 1 EStG die Steuerermäßigungen zu berücksichtigen und im Anschluss erst die Zulagenansprüche hinzuzurechnen. Eine teleologische Reduktion ist nach Auffassung des BFH in entsprechenden Fällen nicht vorzunehmen.
Praxishinweis
Der BFH folgt mit seiner Entscheidung letztendlich der Ansicht des FA und behält die Reihenfolge des Abzugs der Steuerermäßigung und der Hinzurechnung der Altersvorsorgezulage bei. Es bleibt daher bei der bisherigen Rechtslage, dass trotz höherer Steuerermäßigung eine spätere Hinzurechnung zu einer Steuerfestsetzung führen kann.
BFH, Urt. v. 09.04.2025 - X R 11/21