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Rente: Steuervorteil bei Kapitalabfindung?

Kann für eine Kapitalabfindung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine Steuervergünstigung geltend gemacht werden? Der BFH hat entschieden, dass einmalige Kapitalabfindungen keine „außerordentlichen“ Einkünfte gemäß § 34 EStG darstellen, wenn das Kapitalwahlrecht schon anfänglich vereinbart war. Damit gilt für derartige Zahlungen aus der Pensionskasse der reguläre Einkommensteuertarif.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob die Kapitalabfindung einer betrieblichen Altersversorgung als außerordentliche Einkünfte tarifbegünstigt zu besteuern ist.

Eine Arbeitnehmerin hatte mit ihrem Arbeitgeber eine Entgeltumwandlung vereinbart. Dazu wurde für sie ein Altersversorgungsvertrag mit einer Pensionskasse abgeschlossen, die Beiträge wurden als (steuerbefreiter) Arbeitslohn an die Pensionskasse gezahlt. Mit Eintritt in den Ruhestand ließ sich die damit zur Rentnerin gewordene Arbeitnehmerin – auf eigenen Antrag und mit Zustimmung des Arbeitgebers – die betrieblichen Altersversorgungsleistungen aus der Pensionskasse als Einmalbetrag und nicht als monatliche Rente auszahlen. Das Finanzamt wendete auf diese Zahlung der Pensionskasse den vollen Steuersatz an, während die Rentnerin die Tarifbegünstigung des § 34 EStG annahm. Das Finanzgericht gab der Rentnerin Recht, während der BFH dem Finanzamt folgte. Sein Urteil begründete der BFH wie folgt.

Steuerbarkeit der Kapitalabfindung

Die Kapitalabfindung ist in vollem Umfang nach § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG zu besteuern. Es handelt sich um Leistungen aus einem Pensionsfonds, die nicht unter § 22 Nr. 5 Satz 2 EStG fallen. Dies ergibt sich daraus, dass die Beiträge „gem. § 3 Nr. 63 EStG steuerbefreit, d.h. gefördert gewesen sind“.

Für die Steuerbarkeit der Leistungen aus dem Pensionsfonds kommt es nicht darauf an, ob die Steuerbefreiung der früheren Beitragszahlungen gem. § 3 Nr. 63 EStG materiell-rechtlich zu Recht gewährt worden ist. Entscheidend ist ausschließlich, dass die Beiträge tatsächlich nach § 3 Nr. 63 EStG als steuerfrei behandelt worden sind. Diese Gesetzesauslegung ist nach Ansicht des BFH auch sinnvoll, um eine lediglich einmalige Besteuerung sicherzustellen.

Ansonsten könnte es vorkommen, dass zwar während der Beitragsphase die Steuerbefreiung in Anspruch genommen wurde, sich aber bei der späteren Überprüfung der Steuerpflicht der Leistungen herausstellt, dass dies zu Unrecht geschehen war. Käme es dann zu einer Steuerfreistellung der Leistungen, obwohl die Steuerfreiheit der Beiträge in der entfernten Vergangenheit möglicherweise nicht mehr rückgängig zu machen wäre, widerspräche dies dem im Bereich der Besteuerung von Alterseinkünften geltenden Prinzip des genau einmaligen Steuerzugriffs – entweder auf der Beitrags- oder auf der Leistungsseite – und damit dem Leistungsfähigkeitsprinzip.

Keine Tarifbegünstigung

Zwar ist § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG grundsätzlich auf alle Einkunftsarten anwendbar – sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind und im Einzelfall keine Gründe für eine einschränkende Auslegung gegeben sind –, denn weder dem Wortlaut noch der Systematik noch dem Zweck der Norm lässt sich eine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf bestimmte Einkunftsarten entnehmen.

Zudem stellt die Kapitalabfindung eine „Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten“ dar.
Als Vergütung in diesem Sinne kommen alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert in Betracht, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt. Die Tätigkeit besteht bei Alterseinkünften in der früheren Leistung von Beiträgen. Darüber hinaus war im Streitfall auch die Voraussetzung der Mehrjährigkeit gegeben, weil die früheren Beitragszahlungen der Rentnerin sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckten und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfassten.

Jedoch fehlte es dem BFH an der Außerordentlichkeit dieser Einkünfte, so dass die Kapitalabfindung nicht begünstigt zu besteuern ist. Der Begriff der Außerordentlichkeit dient der Einschränkung des eher weit geratenen Wortlauts des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten sind nur dann außerordentlich, wenn die Zusammenballung der Einkünfte nicht dem vertragsgemäßen oder typischen Ablauf der jeweiligen Einkünfteerzielung entspricht. Vorliegend war das Verlangen nach der Kapitalabfindung vertragsgemäß, weil dessen Rechtsgrundlage in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Pensionskasse bestand.

Trotz vorgeschriebener Modalitäten der Geltendmachung des Kapitalwahlrechts handelte es sich bei der Kapitalabfindung um eine im Vertrag vorgesehene Leistung. Inhaltlich unterlag das Kapitalwahlrecht keinen Beschränkungen und allein darauf kommt es laut BFH für Zwecke des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG an. Des Weiteren stellt die Kapitalabfindung im Streitfall auch keinen atypischen Ablauf in Bezug auf die jeweilige Einkünfteerzielung dar. Die unbeschränkte Zulässigkeit des Kapitalwahlrechts, die schon im Zeitpunkt der Zusage der betrieblichen Altersversorgung vereinbart wurde, zeigt aus Sicht des BFH, dass Kapitalwahlrechte bei einer derartigen betrieblichen Altersversorgung – anders als bei der Basisversorgung – nicht atypisch sind. Einkünfte aus dem Zufluss solcher Einmalzahlungen sind daher nicht außerordentlich.

Praxishinweis

Der BFH hat eine wichtige Entscheidung zur betrieblichen Altersversorgung getroffen: Wird eine betriebliche Altersversorgung, die durch Entgeltumwandlung aufgebaut wurde, durch eine einmalige Kapitalabfindung ausgezahlt, ist Letztere nicht tarifbegünstigt und voll zu versteuern. Ob der BFH damit den politischen Willen, die betriebliche Altersversorgung zu fördern, unterstützt, darf bezweifelt werden. Gleichwohl ist die Entscheidung nachvollziehbar begründet und in sich konsequent.

BFH, Urt. v. 20.09.2016 - X R 23/15

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht