Für Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten kann nach § 20 Abs. 2 AStG abweichend vom jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ggf. nicht die Freistellungsmethode, sondern die Anrechnungsmethode anwendbar sein. Der BFH hat in einem Verfahren bezweifelt, dass diese sog. Switch-Over-Klausel mit der europäischen Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Nun muss der EuGH die Vorlagefrage klären.
Der BFH legt dem EuGH mit seiner Vorlage vom 03.06.2025 (IX R 39/21) die Frage zur Entscheidung vor, ob die in den Jahren 2007 und 2008 geltende Fassung der Switch-Over-Klausel des § 20 Abs. 2 AStG - damals noch ohne Motivtest - gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt und damit unionsrechtswidrig sein könnte.
Nach § 20 Abs. 2 AStG ist für bestimmte Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte anstelle der im einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vorgesehenen Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode anwendbar. Ein Gegenbeweis war nach der damaligen Fassung nicht möglich.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin, eine deutsche Holdinggesellschaft (C SE), war Muttergesellschaft der A-GmbH. Zwischen beiden bestand aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags ein Organschaftsverhältnis für Zwecke der Körperschaft- und Gewerbesteuer.
Im Jahr 2007 schloss die A-GmbH mit einer luxemburgischen Tochtergesellschaft, die insbesondere Einkünfte aus der Finanzierung von Tochtergesellschaften erzielte, einen Vertrag über eine atypisch stille Gesellschaft. Die A-GmbH wurde an deren Gewinnen beteiligt.
Das Finanzamt behandelte die Gewinnanteile als Zwischeneinkünfte nach § 20 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 AStG und unterwarf sie der deutschen Körperschaftsteuer.
Entgegen den Regelungen des DBA Deutschland-Luxemburg wurden die Einkünfte somit nicht freigestellt, sondern nach § 20 Abs. 2 AStG unter Anrechnung der luxemburgischen Steuer in Deutschland voll besteuert.
Die hiergegen gerichtete Klage der C SE blieb vor dem Finanzgericht erfolglos. Der BFH sah die Revision des Klägers teilweise als begründet an und hob das Urteil auf.
Die Switch-Over Klausel nach § 20 AStG
Nach § 20 Abs. 2 AStG wird für Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen abweichend vom jeweiligen DBA nicht die Freistellungsmethode angewendet, sondern die Anrechnungsmethode. Die im Ausland gezahlten Steuern werden also lediglich angerechnet („Switch-Over“).
Da § 20 Abs. 2 AStG die Methode des DBA verdrängt, handelt es sich um einen sogenannten Treaty Override. Ist im DBA ohnehin die Anrechnungsmethode für die betreffenden Betriebsstätteneinkünfte vorgesehen, läuft § 20 Abs. 2 AStG ins Leere.
Die Anrechnung der ausländischen Steuer erfolgt dann nach den allgemeinen Vorgaben des § 34c EStG.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Der BFH legte dem EuGH die Frage vor, ob § 20 Abs. 2 AStG gegen die Niederlassungsfreiheit oder die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und somit unionsrechtswidrig ist.
Kritisch sieht der BFH insbesondere, dass die Vorschrift keine Möglichkeit vorsieht, nachzuweisen, dass eine Betriebsstätte tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort realen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.
Eine solche Nachweismöglichkeit besteht jedoch in wirtschaftlich und steuerlich vergleichbaren Fällen bei ausländischen Kapitalgesellschaften.
Praxishinweis
Der BFH möchte vom EuGH klären lassen, ob § 20 Abs. 2 AStG wegen des fehlenden Motivtests in seiner damaligen Fassung europarechtswidrig ist. Dieser wurde erst ab 2008 eingeführt, so dass die Frage in den beiden Streitjahren vom EuGH auch unterschiedlich beantwortet werden kann.
BFH, EuGH-Vorlage v. 03.06.2025 - IX R 39/21