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Welche steuerlichen Folgen hat der Brexit?

Noch sind die Brexit-Bedingungen unklar, die steuerlichen Folgen werden aber wohl immens sein. Welche Auswirkungen des EU-Austritts Großbritanniens sind realistisch? Was ist Unternehmern und Arbeitnehmern zu raten? Was bedeutet der Brexit für den Kapitalverkehr sowie den Handel mit Waren und Dienstleistungen? Zahlreiche steuerliche Regelungen sind betroffen und viele Vergünstigungen entfallen.

Ende März 2019 wird der Austritt Großbritanniens aus der EU nach jetzigem Verhandlungsstand wirksam werden. Wie die Rechtsfolgen, insbesondere die steuerlichen Folgen, dieses Austritts aussehen, ist bisher noch weitgehend unklar, denn die EU und Großbritannien verhandeln derzeit intensiv darüber.

Zunächst einmal ist noch nicht klar, ob der Brexit Großbritannien zum Drittstaat macht oder ob über das EWR-Abkommen jedenfalls teilweise weiterhin europarechtliche Regelungen fortgelten. Gleiches gilt für Regelungen eines möglichen Austrittsabkommens. Folglich gelten insoweit die „EU-Grundfreiheiten“ nicht mehr.

Falls Großbritannien durch entsprechende Abkommen den Status eines „EWR-Staates“ erhalten sollte, würden die „EWR-Grundfreiheiten“ gelten, die mit Ausnahme des Kapitalverkehrs mit Drittstaaten den EU-Grundfreiheiten entsprechen. Die Änderungen wären dann überschaubar. Dies ist aber ungewiss. Gleichwohl gibt es Anlass, über die steuerlichen Folgen des Brexit nachzudenken und gegebenenfalls vor dem Austrittsdatum noch erforderliche Gestaltungen vorzunehmen.

Steuerliche Folgen eines Austritts

Staatsangehörige eines EU-/EWR-Staates, die in Deutschland als unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt werden, können bestimmte familienbezogene Vergünstigungen beantragen. Britische Staatsangehörige würden diese Möglichkeit verlieren, wenn sie künftig Drittstaatsangehörige sind, und müssten mit höheren Einkommensteuerzahlungen rechnen.

Die Mutter-Tochter-Richtlinie, die in Deutschland durch § 43b EStG umgesetzt worden ist, enthält eine Entlastung von der deutschen Kapitalertragsteuer auf Dividenden und andere Gewinnausschüttungen, die einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaft zufließen oder einer dort belegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind.

Zukünftig dürften u.a. die Ausschüttungen einer inländischen Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft, die in Großbritannien ansässig ist, zu einer definitiven Steuerbelastung führen. Denn die Quellensteuern aufgrund der Freistellung der Dividenden in Großbritannien können dann nicht angerechnet werden.

Dies wird allerdings durch Regelungen im Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Großbritannien etwas gemildert. Der Quellensteuersatz für unmittelbare Beteiligungen von mindestens 10 % beträgt danach lediglich 5 %. Dies sind allerdings 5 % mehr als vor dem Brexit.

Die Fusionsrichtlinie, die weitgehend durch das UmwStG ins nationale Recht übernommen worden ist, dient dazu, unter bestimmten Voraussetzungen steuerneutrale Umwandlungen der beteiligten Rechtsträger in der EU vorzunehmen. Nach dem Austritt Großbritanniens scheidet eine steuerneutrale Umwandlung mit britischer Beteiligung aus.

Verbringt ein Unternehmer ein Wirtschaftsgut von einer deutschen Betriebsstätte in eine ausländische Betriebsstätte, gilt dieses Wirtschaftsgut als entnommen. Bei Überführung des Wirtschaftsguts in einen anderen Staat der EU kann allerdings ein Ausgleichsposten gebildet werden, der in den folgenden fünf Wirtschaftsjahren gewinnerhöhend aufgelöst werden muss (§ 4g EStG), so dass eine sofortige Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven vermieden wird.

Nach dem Brexit entfällt diese Möglichkeit bei Betriebsstätten in Großbritannien. Gleichzeitig sind bereits gebildete Ausgleichsposten wohl mit dem Austrittszeitpunkt zwangsweise aufzulösen.

Zudem gilt in bestimmten Fällen die sogenannte Wegzugsbesteuerung: Gibt ein unbeschränkt Steuerpflichtiger seine Ansässigkeit im Inland auf, kommt es u.U. zur Besteuerung der stillen Reserven in seinen Wirtschaftsgütern, insbesondere Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG und § 6 AStG).

Erfolgt hingegen der Umzug in einen anderen EU-/EWR-Staat und wird dort die unbeschränkte Steuerpflicht begründet, wird die dadurch entstehende Steuer zinslos und ohne Sicherheitsleistungen gestundet. In Zukunft dürfte diese Möglichkeit bei Wegzug nach Großbritannien entfallen.

Daher dürfte der Wegzug eines in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Großbritannien künftig dazu führen, dass eine Stundung der festgesetzten Steuer ausscheidet und die Steuern sofort zu entrichten sind. Zugleich könnte es in Altfällen zu einer Beendigung der bisherigen Stundung kommen, so dass auch in diesen Fällen eine sofortige Steuerbelastung droht.

Vor allem ergeben sich aus einem EU-Austritt Großbritanniens etliche Auswirkungen bezüglich der Umsatzsteuer. Der Austritt macht Großbritannien womöglich zu einem Drittstaat i.S.d. UStG, so dass Großbritannien dann nicht mehr zum Zollgebiet der EU zählen würde.

Dies hätte unmittelbare Auswirkungen insbesondere für den Handel mit Waren und Dienstleistungen zwischen Unternehmen. Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung würde ausscheiden, stattdessen wäre eine ebenfalls steuerfreie Ausfuhrlieferung gegeben – für diese gelten allerdings strengere Nachweispflichten.

Lieferungen von Großbritannien nach Deutschland wären künftig keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Erwerbe, sondern müssten als Einfuhren deklariert und entsprechend mit Einfuhrumsatzsteuer und Zöllen belegt werden, sofern keine Befreiungsvorschrift greift.

Insbesondere könnte künftig die Unternehmereigenschaft eines in Großbritannien ansässigen Unternehmers nicht mehr anhand der europäischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer geprüft werden. Stattdessen müsste dieser Nachweis auf andere Weise erbracht werden, z.B. durch eine Bescheinigung der britischen Behörde.

Schließlich ist unklar, wie sich der Brexit auf die nach englischem Recht gegründeten Gesellschaften, insbesondere die Limited, auswirkt. Nach deutschem Gesellschaftsrecht gelten diese nach dem Brexit nicht mehr als Kapitalgesellschaften, sondern sind nach deutschem Recht einzuordnen und stellen – in Abhängigkeit von der Anzahl der Gesellschafter – ein Einzelunternehmen oder eine OHG dar mit den Folgen, die ein Rechtsformwechsel für die Besteuerung bringen kann, aber vor allem einer fehlenden Haftungsbeschränkung.

Praxishinweis

Zurzeit sind die steuerlichen Folgen eines Brexit ebenso unklar wie dessen Bedingungen. Daher sollten Unternehmer und Steuerberater regelmäßig den Stand der Verhandlungen zwischen EU und Großbritannien verfolgen, um rechtzeitig reagieren und so mit dem Brexit verbundene nachteilige steuerliche Folgen vermeiden zu können.

RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht